Nationalpark oder Naturpark
Klettern, Boofen, Wandern mit der Familie und mit FreundInnen, Picknicken oder sogar Theaterstücke auf den Felsen bewundern: Die Sächsische Schweiz lädt jedes Jahr 1,7 Millionen BesucherInnen[1]zu Freizeitaktivitäten ein. Allein über 400 km[2]Wanderwege führen durch das Gebiet, welches seit 1990 unter die Schutzkategorie Nationalpark (NLP) fällt. Der naturnahe Zustand ist dabei für viele TouristInnen besonders attraktiv, denn mehr als 75% der Fläche werden als Kernzone sich selbst überlassen – somit finden dort auch fast keine forstwirtschaftlichen Eingriffe mehr statt.
Die verheerenden Brände in der hinteren Sächsischen Schweiz beim Ortsteil Schmilka im Sommer 2022 haben viele Anwohner jedoch an der Einstufung als Nationalpark zweifeln lassen, beziehungsweise in ihrer Meinung bestätigt. Mit einer Petition wollen sie erreichen, dass durch eine Umbenennung in „Naturpark“ mehr für den Brandschutz in der Gegend getan wird. Sie wollen das Gebiet auch weiter touristisch erschließen. Der NABU Sachsen spricht sich eindeutig gegen diese Pläne aus, da die Kategorisierung als „Naturpark“ negative ökologische Folgen hätte.
Dieser Artikel beschäftigt sich damit, was eine Umgestaltung der Sächsischen Schweiz in einen Naturpark bedeuten würde und ob eine solche Statusänderung sinnvoll wäre. Wäre es hilfreich, wenn die Sächsische Schweiz Eigenrechte als juristische Person hätte?
Die Bürgerinitiative „Naturpark Sächsische Schweiz“
Am 17. August dieses Jahres gründete sich in der Stadt Hohenstein die Bürgerinitiative „Naturpark Sächsische Schweiz“. Sie fordern eine Änderung der Schutzgebietskategorie für das gesamte Nationalpark-Gebiet.[3]
In einem Naturpark wird die Landschaft, nicht wie in einem Nationalpark, durch menschliche Eingriffe geprägt und für die touristische Nutzung erschlossen. Die Artenvielfalt der Landschaft soll gerade durch die Nutzung geschützt werden, so dass Wirtschaft, Erholung und Naturschutz verbunden werden können.[4] Eine solche Schutz-durch-Nutzung-Strategiefordert die Bürgerinitiative auch für den Landschaftsraum Sächsische Schweiz.[5]
Besonders auf den Tourismus und die einheimische Bevölkerung soll Rücksicht genommen werden. Bis jetzt wurden Besucher beispielsweise aufgrund des Status als Nationalpark nur auf bestimmten Wegen erlaubt, was zu einer Übernutzung dieser Wege geführt haben soll. Die Petition fordert mehr Wege, um die Besucher besser zu verteilen, sowie eine grenzüberschreitende Wiederherstellung von historischen Wegen. Dies erfordert Eingriffe in die unberührte Landschaft und würde demzufolge verschiedene Lebensräume zerstören. Vor dem Hintergrund des Brandschutzes sollen zusätzliche Flucht- und Rettungswege gebaut werden. Touristische Attraktionen wie Aussichtspunkte sollen vor der Verwahrlosung geschützt und verschönert werden.
Trotzdem soll das Gebiet überwiegend aus Landschafts- und Naturschutzgebieten bestehen bleiben[6] und auch ein paar gesonderte, nicht betretbare Schutzzonen wird es weiterhin geben.
In den restlichen Gebieten kann das Land regional und umweltgerecht genutzt werden – so kritisiert die Petition den zu hohen Bestand an Fichten und fordert einen Umbau zu einem Mischwald in der gesamten Naturparkregion zugunsten der ursprünglichen Vegetation. Heute dürfen solch forstwirtschaftliche Maßnahmen nur in Zone B des Nationalparks auf etwa 2.200 ha erfolgen.[7]
Weiterhin soll der massiven Anhäufung von Totholz entgegengewirkt werden, denn laut der Petition ist das Totholz ein Grund für die Waldbrände[8]. Somit stellen die Gebiete ohne forstwirtschaftliche Eingriffe „eine hochgradige Gefahr für das Leben und die Gesundheit der [dort] angesiedelten Bevölkerung und für Sachwerte dar. Gleiches gilt für Hochwasserlagen.“[9] Um Waldbrände zu verhindern, sollten in einem Naturpark auch Abstände zwischen Wald und Siedlungen geschaffen werden.
Nationalpark bleibt! – NABU Sachsen
Diesen Forderungen tritt der NABU Sachsen aufs Schärfste entgegen. Die Umwandlung in einen Naturpark wäre ein „ökologisches Desaster“[10], denn die Sächsische Schweiz ist mit nur 0,5% der Landesfläche der einzige Nationalpark in Sachsen und somit laut der Nationalpark- Seite „Ein halbes Prozent unseres Lebensraumes, in dem die Natur und nicht der Mensch das Sagen hat“.[11]
Laut den IUCN (International Union for Conservation of Nature) -Kategorien soll außerdem ein Mindestmaß der Natur auf einer Fläche sich selbst überlassen werden. Die Sächsische Schweiz beherbergt unterschiedlichste Landschaftsformen und damit auch viele verschiedene Lebensräume, in denen auch gefährdete Tier- und Pflanzenarten beheimatet sind. So sind dort beispielsweise noch Fischotter und Dachse zu finden und auch acht bis 12 Schwarzstorchpaare im Elbsandsteingebirge[12].
Der Brandschutz, mit dem die Bürgerinitiative den geplanten Waldumbau begründet, kann außerdem laut dem NABU nicht durch das Wegräumen von Totholz gesichert werden. So sei das morsche Holz eben nicht als Waldbrandgefahr anzusehen, sondern im Gegenteil als Lebensraum für Tiere, Pilze und Pflanzen ökologisch sehr wertvoll. Die meisten Waldbrände seien stattdessen auf menschliche Unvernunft zurückzuführen, wie Rauchen oder Grillen im Wald bei Trockenheit. Um die BewohnerInnen vor bevorstehenden Waldbrand-Katastrophen zu bewahren, setzt der NABU demzufolge auf „Aufklärungsarbeit und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen“.[13] Auch Thilo Heinken, Botanikprofessor der Universität Potsdam, bestätigte im Interview mit MDR: „Es gibt keinen klaren Beleg, dass Totholz der Brandbeschleuniger ist.“[14]
Wirtschaftlich sei die Statusänderung ebenso nicht sinnvoll, denn viele Touristen kämen laut NABU gerade der unberührten Natur wegen da hin.
Was jetzt?
Ob die Touristen allein wegen des Nationalparkstatus und nicht auch wegen Sehenswürdigkeiten wie der von Menschen errichteten Basteibrücke in die Region kommen, ist unklar. Sicher ist jedoch, dass die unberührte Natur von BewohnerInnen und BesucherInnen geschätzt wird und auch aus Naturschutzgründen geschützt werden muss.
In einem Nationalpark kann die Natur sich ungehindert entfalten, auch nach einem Waldbrand. So soll die Sächsische Schweiz laut Umweltstaatssekretärin Gisela Reetz (Grüne) auch nicht aufgeforstet werden[15] oder das Totholz flächendeckend geräumt werden – dies erlaube der Schutzstatus nicht.[16] Stattdessen soll in bessere Ausrüstung zur Brandbekämpfung wie Drohnen und Wärmebildkameras investiert werden.
11% der Stimmen für das Quorum der Petition sind zum aktuellen Zeitpunkt schon erreicht – bei 12.000 Stimmen wird von dem Petitionsausschuss des Sächsischen Landtags eine Stellungnahme zur Petition einholt. Wenn es jedoch so weit kommt und nötig wird, würde sich Joachim Schruth, Referent für Naturschutzrecht und -politik beim NABU Sachsen, auch mit rechtlichen Mitteln für den Erhalt der ökologischen Vielfalt einsetzen.
Kann das Konzept Rechte der Natur helfen?
Der NABU als staatlich anerkannter Umwelt- und Naturschutzverband muss bei Umweltschutz-Fragen und Eingriffen in den Naturhaushalt angehört werden[17]. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie gerichtlich direkt gegen eine Schutzgebietsstatusänderung vorgehen könnten. Selbst wenn, steht der Mensch und die Wirtschaft aufgrund der Gesetzeslage vor Gericht als auch im Landtag weiterhin im Mittelpunkt. Die Debatte bezieht demnach, wenn dann indirekt die Interessen der Natur mit ein.
Wenn die Sächsische Schweiz Eigenrechte bekommen würde, wäre vor Gericht jedoch eine offene Debatte möglich. Nicht allein vor dem touristischen Gedanken als Hintergrund, sondern auch mit einem geschärften Bewusstsein für die Bedürfnisse der Natur, auch in der Bevölkerung. Die Rechte der Natur bieten die Möglichkeit die Interessen der Natur, nicht nur juristisch, mitzudenken. Aber auch in der juristischen Abwägung könnte mit Hilfe der Rechte ein gerechte Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen gefunden werden, wodurch das Ziel des Erhalts der ökologischen Grundlage unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen erreicht werden kann.
So scheint die Bürgerinitiative einen guten Zweck zu verfolgen, doch die Seite der Natur wird nicht wissenschaftlich fundiert mitgedacht. Eine Umwandlung in einen Naturpark ist demzufolge mehr mit dem kurzfristigen Eigeninteresse der Bevölkerung begründet als mit dem langfristigen Naturschutz. Mitgedachter Naturschutz ermöglicht es der Bevölkerung vor Ort ihre wirtschaftliche und ökologische Lebensgrundlage zu erhalten.
Die Anerkennung der Rechte der Sächsischen Schweiz würde einen wichtigen Beitrag zur größtmöglichen Befriedigung aller Interessen in dem vorliegenden Konflikt führen.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalpark_S%C3%A4chsische_Schweiz
[2] https://www.nationalpark-saechsische-schweiz.de/besucherinformation/wandern/
[3] https://www.wochenkurier.info/saechsische-schweiz-osterzgebirge/artikel/umwandlung-in-naturpark
[4] https://www.alpenverein.de/natur-klima/nationalpark-naturpark-naturschutzgebiet-was-ist-was_aid_37478.html
[5] https://www.openpetition.de/petition/online/schaffung-eines-naturparks-saechsische-schweiz-durch-aenderung-der-saechsischen-naturschutzgesetzgeb
[6] https://www.naturpark-saechsische-schweiz.de/
[7] https://www.nationalpark-saechsische-schweiz.de/der-nationalpark/naturraum/naturwald/waldpflege/
[8] https://www.naturpark-saechsische-schweiz.de/positionen.html
[9] https://www.openpetition.de/petition/online/schaffung-eines-naturparks-saechsische-schweiz-durch-aenderung-der-saechsischen-naturschutzgesetzgeb
[10] https://sachsen.nabu.de/news/2022/32200.html
[11] https://www.nationalpark-saechsische-schweiz.de/der-nationalpark/grundlagen/portraet/
[12] https://www.nationalpark-saechsische-schweiz.de/der-nationalpark/naturraum/tiere-2/
[13] https://sachsen.nabu.de/news/2022/32200.html
[14] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/dresden-radebeul/fakt-ist-wald-brand-feuer-waelder-totholz-nationalpark-100.html
[15] https://www.saechsische.de/katastrophen/waldbrand/saechsische-schweiz-soll-nationalpark-bleiben-5747462-plus.html
[16] https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1053139
[17] https://de.wikipedia.org/wiki/Naturschutzbund_Deutschland#Aufgaben_und_Ziele