Rechte der Oder
Rechte der Oder

Rechte der Oder

Rechte der Oder

Dieser Beitrag beschäftigt sich damit, was uns die Naturkatastrophe Ende Juli 2022 über die Notwendigkeit der Oder für den Menschen gezeigt hat und warum auch die Oder Rechte bekommen sollte.

  • Lebensgrundlage Mensch und Tier

Die Oder als Dreiländerfluss ist ein wertvolles Ökosystem, welches heimischen Tieren und vielen Menschen Ostdeutschlands, Polens und Tschechiens als Lebensgrundlage dient.

An ihren Ufern findet sich heute noch eine hohe Vielfalt an Biotopen wie Waldkomplexen, Auen, Feuchtgebieten und Wiesen. Seltene Tiere wie Seggenrohrsänger, Adler und Wölfe sind dort beheimatet und viele Pflanzen oder Tiere wie der Baltische Stör stehen auch auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Vielerorts wird die Artenvielfalt durch Naturschutzgebiete geschützt, welche auch für Menschen als Erholungsgebiete, zum Wandern und Spazieren, genutzt werden können.

Die BewohnerInnen sind insbesondere auch wirtschaftlich von der Oder abhängig: Diese wird als Handelsstraße genutzt, für die Berufsfischerei und auch in der In der Landwirtschaft ist die Oder essentiell. Hier wird das Wasser zur Bewässerung und für Tiertränken genutzt.

Eine Verschmutzung und Zerstörung der naturnahen Flusslandschaft hat somit nicht nur Folgen für Tiere und Pflanzen, sondern ist ebenso wirtschaftliche Katastrophe für Menschen an ihren Ufern.

  • Die Oder ist gerade gefährdet bzw. teilweise zerstört

Eine enorme Gefährdung des Ökosystems, die höchstwahrscheinlich auf eine Aufsalzung und ein Algenwachstum von polnischer Seite der Oder zurückzuführen ist,[1] wurde im Juli 2022 verzeichnet. Es konnten bereits mehr als 500 km Flusslauf vergiftet und hunderte Tonnen tote Fische in der Oder gefunden werden. Dabei ist dies nur die Spitze des Eisbergs: Laut Greenpeace könnte der Fischbestand in der Oder innerhalb weniger Tage halbiert worden sein[2] und der Schaden für andere in der Oder lebende Organismen wie Kleinstlebewesen ist noch nicht abschätzbar.

Mit Sicherheit wurden jedoch die Nahrungsbeziehungen massiv aus dem Gleichgewicht gebracht, und es ist nicht klar, ob das Ökosystem in gleichem Ausmaß wie vor der Katastrophe wiederhergestellt werden kann. Selbst wenn, wird dies mehrere Jahre dauern: so sind bei der Katastrophe laut Dirk Treichel, Leiter des Nationalparks Unteres Odertal, auch alte Tiere wie bis zu 40jährige Welse zu Tode gekommen.[3]

Dabei zeigt sich abermals,wie wichtig der Fluss wirtschaftlich für die Menschen ist. Bootsverleihe müssen vorläufig schließen und auch Biergärten am Wasser haben mit Einkommensschwierigkeiten zu rechnen. Die Folgen für die Berufs- und Hobbyfischerei sind noch nicht genau abschätzbar, aber laut Axel Vogel, Minister für Landwirtschaft Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg, landeten bereits zwei Jahresmengen von Fischen, die normalerweise verarbeitet werden, auf dem Sondermüll.[4] Weiterhin meint Fischer Helmut Zahn in einem Interview mit DW,[5] auch wenn die Fische später wieder zum Verkauf stehen, sei den Menschen der Appetit auf Fisch wahrscheinlich erst mal vergangen.

Zudem fielen die landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten für Betriebe in der gesamten Oderregion weg.[6] Ebenso schränkt die Geruchsbelästigung[7] den Status des Flusses als Erholungs- und Freizeitort ein. Mitten im Hochsommer muss auf das Baden verzichtet werden. Auch hängt der Naturtourismus der lokalen Naturerlebnishöfe von einem gesunden Ökosystem ab.

  • Was nun?

Auch wenn noch nicht klar ist, ob die Oder einen langfristigen Schaden davongetragen hat,[8] es sollte außer Frage stehen, zu versuchen, das Ökosystem als Lebensgrundlage für Mensch und Tier so schnell wie möglich wiederherzustellen. Es ist gerade die Lehre aus dieser Katastrophe, unseren Ökosysteme mehr Raum zu geben, auch da sie notwendig für unser eigenes Überleben sind. Hierzu sollte der Fluss das Recht haben, frei fließen zu dürfen. Würde die Oder als juristische Person anerkannt, wäre der Weg frei für einen neuen Umgang mit dem Fluss. So könnte auch der geplante Ausbau der Oder verhindert werden und dem Fluss die Möglichkeit gegeben werden, sich zu regenerieren.

  • Der Ausbau der Oder und Lösungsmöglichkeiten Initiativen

Momentan ist eine weitreichende Vergrößerung des Seitenarms der Oder „Klützer Querfahrt“ geplant, damit Küstenmotorschiffe diesen befahren können. Weiterhin will die polnische, als auch die tschechische Regierung, durch ganz Europa die Binnenwasserstraße „E30“ bauen. Beide Pläne fordern eine massive Bebauung, Verschmutzung und Veränderung der Oder.

Noch ist es an der Politik, ob die Oder weiter bebaut wird oder sich regenerieren kann: Die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke setzt sich zwar für eine Renaturierung der Oder ein, ihre polnische Amtskollegin Anna Moskwa möchte jedoch an einem weiteren Ausbau der Oder festhalten.[9]

Es scheint, als ob wirtschaftliche Interessen und Naturschutz nicht miteinander vereinbart werden können. Der Fluss, welcher (noch) keine Rechte als solche besitzt, muss zurückstecken. Mit einer solchen Herangehensweise wird unsere Lebensgrundlage gefährdet.

Das trinationale Bündnis „SaveOder“ kämpft jedoch schon seit Jahren in Deutschland, Polen und Tschechien dafür, die naturnahe Flusslandschaft zu erhalten und hat umweltfreundliche Lösungsmöglichkeiten ausgearbeitet.[10] Diese beinhalten beispielsweise eine Investition in bestehende Bahninfrastrukturen entlang der Oder, so dass der Bau der Wasserstraße E30 nicht mehr nötig wäre. Die deutsche Koalition des Bündnisses „Aktionsbündnis lebendige Oder“ hat außerdem ein Aktionsprogramm zur Wiederbelebung der Oder formuliert.[11] Damit zeigt sich, ein Miteinander zwischen Mensch und Natur ist möglich.

Das Ziel der Initiativen ist es, die endgültige Unterschutzstellung der gesamten Oder zu erreichen, um das Ökosystem langfristig zu erhalten. Würde die Rechte der Oder anerkannt, könnte von BürgerInnen auch sichergestellt werden, dass solche Schutzmaßnahmen eingehalten werden.

Ein Beitrag von unserer Unterstützerin Rike Habermalz


[1] https://www.riffreporter.de/de/umwelt/fischsterben-oder-bilanz-naturschutz-polen-deutschland

[2] https://de.euronews.com/green/2022/09/01/fischsterben-oder-stand-der-lage

[3] https://www.youtube.com/watch?v=iZVjYrsUTVU

[4] https://www.youtube.com/watch?v=iZVjYrsUTVU

[5] https://www.dw.com/de/fischsterben-an-der-oder-der-fluss-und-die-touristen/a-62912877

[6] https://www.zeit.de/news/2022-08/17/fischsterben-landwirtschaft-fordert-lueckenlose-aufklaerung

[7] https://www.dw.com/de/fischsterben-an-der-oder-der-fluss-und-die-touristen/a-62912877

[8] https://www.wwf.de/themen-projekte/fluesse-seen/fischsterben-in-der-oder

[9] https://www.tagesschau.de/inland/fischsterben-oder-deutschland-polen-101.html

[10] https://saveoder.org/the-alternative/

[11] https://www.dnr.de/sites/default/files/2022-08/Verb%C3%A4nde_Eckpunkte_%20Aktionsprogramm_%20Oder.pdf